Am Dienstag trifft im Viertelfinale der Champions-League Apoel Nikosia auf Real Madrid. Am Montag hat der Zweitligist Karlsruher SC mal wieder einen Trainer entlassen. Es mag da keinen kausalen Zusammenhang geben. Wohl aber könnte es sein, dass hier das eine Ereignis eine versteckte Nachricht an das andere gesendet hat. Die mutmaßliche Botschaft richtet sich an die galaktischen Außenseiter von Nikosia. Sie könnte lauten: Kleine Sensationen sind prima. Große Sensationen sind gefährlich.
Anfang der neunziger Jahre war der KSC so etwas wie das Apoel Nikosia vom Nordschwarzwald: Ein Traditionsklub, der mit überschaubaren Finanzen und einem seltsamen Spielerkader Europa aufmischte. Im November 1993 fegten die Karlsruher Valencia mit 7:0 aus ihrem baufälligen Wildparkstadion. Es ist bis heute eines der wundersamsten Spiele im internationalen Klubfußball geblieben. Der KSC hat sich davon nie wieder erholt.
Das kleine Karlsruhe glaubte, es sei über Nacht zur Großmacht herangewachsen. Diese Glaubensrichtung bekam den Namen: 'KSC 2000'. Die Valencia-Helden um Rainer Schütterle, Slaven Bilic und Edgar Schmitt hatten ihren Siegesrausch noch nicht auskuriert, da wurde bereits eine Multifunktionsarena geplant, das Wappen modernisiert, der Weltmeister Thomas Häßler verpflichtet sowie der deutsche Meistertitel als Minimalziel ausgelobt. Die Jahreszahl 2000 schien zu diesem festlichen Anlass gerade rund genug zu sein. Als es dann soweit war mit dem Jahrtausendwechsel, stieg der KSC in die Regionalliga ab.
Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, ist der Klub nach ein paar Fahrstuhlrunden durch den Profifußball demnächst wieder zurück in der Drittklassigkeit. Das wird auch nach dem 14. Trainerwechsel binnen 14 Jahren schwer zu verhindern sein. Der Verein hatte stets ein feines Gespür dafür, sich auf dubiose Geldgeber, unfähige Funktionäre und unpassende Übungsleiter einzulassen. So realitätsfremd wie unter der Führung des CDU-Politikers Ingo Wellenreuther hat er sich indes lange nicht mehr präsentiert. Größenwahn ist schwer heilbar.
Auch Anhänger von 1860 München, Dynamo Dresden oder dem 1. FC Köln wissen, dass die Übergänge zwischen einer ruhmreichen Vergangenheit und einer chaotischen Gegenwart fließend sind. Es gibt aber wohl keinen Klub in Deutschland, bei dem Rausch und Wahnsinn, Aufstieg und Niedergang so eng verflochten sind wie beim KSC mit seinem Valencia-Syndrom.
Man kann Apoel Nikosia in diesem Sinne nur wünschen, dass es von dem nicht minder gefährlichen Madrid-Syndrom verschont bleibt.